Benzodiazepine sind …
… eine Gruppe von rezeptpflichtigen Beruhigungs- und Schlafmitteln, die in Deutschland weit verbreitet sind. Sie werden vom Arzt zeitlich begrenzt gegen Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Angstzustände, Panikattacken, Epilepsie und zur Muskelentspannung verschrieben. Vor Operationen werden sie manchmal zur Narkoseeinleitung eingesetzt. Die medizinischen Begriffe für die einzelnen Einsatzgebiete lauten Sedativa/ Tranquilizer , Hypnotika, Anxiolytika und Antiepileptika . Die bekanntesten Markennamen dürften wohl die Präparate Valium®, Tavor®, Lexatonil® und Rohynol® sein. Obwohl Benzodiazepine unverzichtbare Medikamente für akute Gesundheitskrisen sind, müssen sie mit maximalem Augenmaß verordnet werden. Ihr Suchtpotenzial ist enorm hoch und sie sollten nach mehrwöchiger Einnahme nicht schlagartig abgesetzt, sondern „ausgeschlichen“ werden.
Z-Drugs sind …
… neuartige Schlafmittel mit einem ähnlichen Einsatzspektrum wie Benzodiazepine und kurzer Wirkdauer. Man bezeichnet sie als Z-Drugs oder Z-Substanzen, weil ihre Wirkstoffe mit dem Buchstaben Z beginnen (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon). Chemisch gesehen gehören sie einer anderen Substanzgruppe an, weshalb man sie auch „Non- Benzodiazepine“ nennt. Trotz der wachsenden Verschreibungszahlen sind sie jedoch keinesfalls unproblematisch.
Stets war die Medizin auf der Suche nach möglichst wirksamen und nebenwirkungsarmen Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Nach der Contergan®-Katastrophe der späten 1950er-Jahre war der Bedarf an neuen Wirkstoffen akut. In dieser Zeit synthetisierte der amerikanische Pharmazeut Leo Sternbach als Erster Chlor diazepoxid, das die Firma Hoffmann-La Roche 1960 unter dem Handelsnamen Librium® in Umlauf brachte. Das war die Geburtsstunde der Benzodiazepine. 1963 folgte die als Valium® bekannte Verbindung Diazepam, das in Deutschland lange Zeit das am häufigsten verordnete Beruhigungsmittel war. Zahlreiche weitere Verbindungen bieten heute unterschiedliche Schwerpunktwirkungen. Z-Drugs entwickelte man Ende der 1980er-Jahre, um sehr gezielt kurze Wirkungsdauern bei guter Verträglichkeit zu erreichen. Als 1991 die ersten Präparate unter Namen wie Ximovan® und Stilnox® auf den Markt kamen, war man aufgrund falsch interpretierter Tierversuchsergebnisse noch fest davon überzeugt, dass sie nicht süchtig machen. Diese Ansicht ist heute veraltet.
Etwa jeder 20. gesetzlich Krankenversicherte bekommt mindestens einmal jährlich ein Medikament aus der Gruppe der Benzodiazepine oder Z-Drugs verschrieben. Bei ca. einem Drittel der Patienten gehen diese Verordnungen teilweise weit über die regelkonforme Einnahmedauer hinaus – und Privatrezepte verschleiern oft die Langzeitverordnung. Weil der Zugriff auf diese problematische Substanzgruppe so einfach ist, haben etwa 1,2–1,5 Millionen Menschen in Deutschland eine Abhängigkeit entwickelt. Die meisten von ihnen sind weiblich und älter.
Benzodiazepine und Z-Drugs werden normalerweise vom Arzt gegen Schlaf- oder Angststörungen verschrieben – vorrangig als Tabletten, seltener in Tropfenform. Auch in der Drogenszene sind diese sehr gefragt. Sie werden ebenfalls, oft auf erfundene Krankengeschichten hin, ärztlich verordnet und kommen dann zu missbräuchlichen Zwecken auf den Markt. Nur Schwerstabhängige schnupfen, rauchen oder spritzen die Stoffe.
… sind Benzodiazepine polyzyklische organische Verbindungen, die zu den psychotropen Substanzen gehören. Allen gemeinsam ist das System aus einer ringförmigen Struktur aus je einem Benzol- und einem Diazepinring (siehe Handelsname). Ihre chemischen Summenformeln sind je nach Verbindung unterschiedlich; die Formel von Diazepam z. B. lautet C16 H13 ClN2O . In der Natur kommen Benzodiazepine nur in sehr geringen Maßen vor, etwa in manchen Mikroorganismen oder Pflanzen – und dadurch auch im menschlichen und tierischen Körper, der diese ja regelmäßig als Nahrung konsumiert.
Benzodiazepine funktionieren nur zusammen mit der körpereigenen GABA (Gamma-Aminobuttersäure). Deren Funktion im Zentralnervensystem ist die Hemmung von Nervenzellen, also letztlich Beruhigung. Bindet nun ein Benzodiazepin an den entsprechenden GABA-Rezeptor, verstärkt sich der natürliche Beruhigungseffekt. Gleich zeitig vermindern sich die bewusste Wahrnehmung und die Gefühlsintensität. Diesen Effekt macht man sich bei Angststörungen, Spannungszuständen, Phobien und Panikattacken zunutze. Eine solche „rosarote Brille für die Seele“ kann in der Akutphase einer psychischen Erkrankung dringend notwendige Entlastung bringen, lässt das Gefühlsleben jedoch auf Dauer verarmen. Die Wirkung tritt je nach Inhaltsstoff innerhalb von 20–30 Minuten ein und geht kontinuierlich im Zeitraum von wenigen Stunden bis zu 2 Tagen zurück. Im Blut sind die Stoffe einige Stunden bis Tage lang nachweisbar, im Urin 24 Stunden bis zu 3 Wochen. Auch Z-Drugs binden an die körpereigenen GABA-Rezeptoren. Sie reichern sich aufgrund der kürzeren Wirkdauer von nur 1–5 Stunden jedoch nicht im Organismus an wie Benzodiazepine. Das macht sie zu Mitteln der Wahl bei Einschlafstörungen. Problematisch ist es, wenn der Patient nachts aufwacht und eine weitere Tablette einnimmt, um weiterschlafen zu können. So kommt es leicht zu Überdosierungen – und das Risiko einer Abhängigkeit steigt. Bei Kindern, älteren Menschen und Patienten mit Hirnschäden können Z-Drugs zu sogenannten paradoxen Reaktionen führen. Sie geraten dann in einen Zustand großer Erregung, werden aggressiv oder wütend.
Wie bei jeder Substanz, die in die Körperchemie eingreift, kann sich bei längerem Gebrauch von Benzodiazepinen (> 4 Wochen, manchmal schon eher) eine Toleranz und Abhängigkeit ausbilden. Ihre beruhigende Wirkung lässt dann nach. Die Dosis wird aber meist nicht wesentlich gesteigert. Dies wiederum führt dazu, dass das Medikament länger als eigentlich nötig eingenommen wird. Es kommt dann zu einer Niedrigdosis-Abhängigkeit (Low-Dose- Dependency). Im Gegensatz zur über den ICD-10 klar definierbaren Hochdosis-Abhängigkeit definiert diese Sonderform einige der ICD-10-Kriterien nicht. Das kann Arzt und Patient in trügerischer Sicherheit wiegen! Es ist deshalb besser, die Suchtgefährdung anhand des Dreiphasenmodells nach Holzbach zu identifizieren. Hier greifen die ICD-10-Kriterien erst im letzten Schritt:
Phase 1 = „Wirkumkehr-Phase“:
Langzeitkonsum ohne Dosissteigerung: Ausbildung einer Toleranz, relative Entzugserscheinungen durch Unterdosierung
Phase 2 = „Apathie-Phase“:
Moderate Dosissteigerung: Körperliche und geistige Veränderungen sowie verändertes Verhalten
Phase 3 = „Sucht-Phase“:
Deutliche Dosissteigerung: Zunehmende Teilnahmslosigkeit und Kontrollverlust
Vorweg: Weil Benzodiazepine und Z-Drugs das Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögen beeinträchtigen, sind sie eine grundsätzliche Gefahr im Straßenverkehr oder beim Führen von Maschinen (Sekundenschlaf). Zusätzlich können kurzzeitige Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit/Benommenheit, Konzentrationsschwäche/ Verwirrtheit, Sehstörungen, Desorientierung mit Gangunsicherheiten, Kopfschmerzen, Magen-/Darmbeschwerden, Mundtrockenheit und z. B. lallende Sprechstörungen auftreten. In den ersten Stunden nach Einnahme kann es zu Erinnerungslücken kommen; der Patient wirkt dann nach außen hin ganz normal, kann sich aber später an nichts erinnern. Wie bei allen Medikamenten sind auch Unverträglichkeitsreaktionen möglich (allergische Reaktion).
Langfristige Folgeschäden
Psychosoziale Folgen
Reagiert der oder die Abhängige aggressiv und unberechenbar auf das Medikament oder die Entzugserscheinungen, kann das für den Betroffenen und sein Umfeld (Partner, Kinder) verheerend sein. Medikamentensucht ist ein häufiger Grund für Trennungen, besonders wenn noch weitere Drogen im Spiel sind.
Bei regelmäßiger Einnahme besteht bei fast allen Benzodiazepinen und auch bei Z-Drugs (entgegen der noch immer weit verbreiteten Meinung) eine ausgeprägte Suchtgefahr. Die Anwendungsdauer sollte daher so kurz wie möglich und die Dosis so gering wie möglich gehalten werden (siehe Kapitel „Der Weg in die Sucht“). Auch die Regeln zum Ausschleichen nach dem empfohlenen Einnahmezeitraum müssen unbedingt eingehalten werden, damit der Patient nicht aus Frustration über Entzugs- oder Rebounderscheinungen aufgibt. Es bestehen mittlerweile gute und erprobte Behandlungsstrategien für den Fall einer Abhängigkeit – von der Ersatzmedikation bis zur Verhaltenstherapie.
Die gute Nachricht: Die Behandlung einer Medikamentenabhängigkeit ist in jedem Stadium sinnvoll und möglich.
Benzos, Oxys, DXM – legale Drogen. Es sind Medikamente und auch die machen süchtig. Fast zwei Millionen Menschen in Deutschland sind laut Epidemiologischem Suchtsurvey abhängig von Medikamenten. Mehr als von Alkohol. Nach einem Aufruf in der Community vom Y-Kollektiv melden sich über hundert junge Menschen bei Reporter Johannes Musial. Einige haben schon in der Schule angefangen Medikamente missbräuchlich zu konsumieren, darunter starke Beruhigungs- und Schmerzmittel. Sie erzählen, wie leicht es ist, an die Medikamente zu kommen. Und sie berichten, warum sie konsumieren: Leistungsdruck und Perspektivlosigkeit. Johannes trifft drei Personen aus der Community: Eine junge Frau ist seit sie 16 ist süchtig nach Medikamenten und spricht das erste Mal offen darüber. Eine andere junge Frau nimmt vor laufender Kamera Beruhigungsmittel. Und ein junger Mann ist gerade mitten im Entzug. Sie erzählen ihre persönlichen Geschichten: Warum haben sie zu den Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmitteln gegriffen?
Wichtiger Hinweis: Diese Texte dienen lediglich der allgemeinen Information und ersetzen keine professionelle medizinische Beratung. Wenn Fragen zu psychischen Erkrankungen auftauchen, sollte ein Facharzt oder Psychotherapeut kontaktiert werden.
Copyright © 2018-2024 kopfnuss – community für menschen mit psychischen erkrankungen