Metamphetamin ist ein vollsynthetisch hergestelltes Psychostimulans auf Amphetamin-Basis. In der Medizin haben Amphetamine ihre Berechtigung als Bestandteil mancher Medikamente, doch vorrangig werden sie gesetzwidrig als Doping ≥- und Suchtmittel verwendet. Auch Methamphetamin, ein vielfach stärkerer chemischer Abkömmling von Amphetamin, wurde anfangs als Zutat in Wachhaltemitteln ärztlich verschrieben. Erst später benutzte man es in seiner Reinform zu Berauschungszwecken. Man kennt es eher unter den Namen „Crystal Meth“ oder einfach nur „Crystal“. Weitere Szenenamen sind „Ruppe“, „Hard Pep“, „Yaba“, „Ice“, „Glass“, „Crank“ oder „Piko“. Es gehört zu den illegalen Drogen.
Es ist unmöglich, die genaue Verbreitung von Methamphetamin in Deutschland zu beziffern. Grund dafür ist die schwammige Abgrenzung zu verwandten Substanzen: Bis 2017 wurde Crystal in offiziellen Statistiken nur zusammen mit Amphetamin erfasst. Laut polizeilicher Sicherstellungsstatistik lag Crystal in den letzten Jahren etwa auf Rang 3 nach Cannabis und Amphetamin und knapp vor Heroin. Auch wenn die Medien oft aufmerksamkeitsstark von einer „Überschwemmung Deutschlands mit Crystal Meth“ sprechen, kommt vornehmlich die Bevölkerung der Grenzgebiete zu Tschechien in Berührung mit der Droge. So entfällt beispielsweise in Sachsen die Hälfte aller drogenbedingten Krankenhausaufenthalte auf Amphetamine, darunter überwiegend Methamphetamin.
Erstmals synthetisierte man flüssiges Methamphetamin 1893 in Japan. Seine kristalline Reinform wurde dort 1921 patentiert. Durch das Patent ausgebremst, forschten die deutschen Temmler-Werke an alternativen Herstellungsverfahren und brachten das Aufputschmittel 1938 unter dem Markennamen Pervitin® freiverkäuflich in den Handel – unter anderem in Form von Pralinen, genannt „Hausfrauenschokolade“. Nur ein Jahr später war Methamphetamin sogar ein entscheidender Faktor während der Blitzkriege gegen Frankreich und Polen: Um während der oft tagelang andauernden Schlachten Müdigkeit, Angst und Hunger zu unterdrücken, gehörten „Fliegermarzipan“, „Panzerschokolade“ oder „Hermann- Göring-Pillen“ zur täglichen Ration des deutschen Heers. Auch bei US-amerikanischen Soldaten im Vietnamkrieg der 1960er Jahre sollte Pervitin® das Durchhalten sichern. Als gegen Ende des Krieges klar wurde, dass der als harmlos beworbene Stoff in Wirklichkeit fatale Auswirkungen hat, wurde er unter Verschreibungspflicht gestellt. Bundeswehr und Nationale Volksarmee lagerten dennoch bis 1970 Vorräte für den Ernstfall ein. Erst 1988 verschwand Pervitin® aus den Regalen der Apotheken.
Seitdem taucht Methamphetamin als illegale Droge in verschiedenen Milieus sowie im Leistungssport als Dopingmittel auf.
Die Bezeichnung „Crystal“ stammt von seiner gängigsten Form als mehr oder weniger grob kristallines Pulver. In Deutschland ist die häufigste Konsumart das Sniefen ≥, wozu die Kristalle vorher fein zermahlen werden. Seltener wird Crystal in Kapseln portioniert oder als sogenannte „Bombe“ ≥ geschluckt. Am riskantesten ist es, die Substanz in bestimmten (Glas-)Pfeifen zu rauchen oder in Wasser aufgelöst zu spritzen. Spritzen und Rauchen sind in den USA weit verbreitet. In Deutschland ist dies eher nur bei abhängigen Konsummustern der Fall.
… gehört Methamphetamin in die Gruppe der Phenylethylamine, welche wiederum eine Substanzklasse der Amphtamine sind. Es wird durch die Reduktion von Ephedrin gewonnen. In der Regel liegt Methamphetamin in hohem Reinheitsgrad vor, der je nach Verschnitt mit anderen Substanzen (z.B. Milchzucker, Koffein oder Paracetamol) jedoch massiv schwanken kann. Die chemische Summenformel lautet C10H15N.
Die Wirkungen von Methamphetamin entsprechen in etwa denen von Amphetaminen, sind jedoch etwa fünfmal stärker. Gelangt die Substanz in den Körper, setzt je nach Konsumform mehr oder weniger schnell der „Kick“ ein. (Sniefen: 5–15 Minuten, Schlucken: 30–45 Minuten, Rauchen oder Spritzen: innerhalb weniger Sekunden). An bestimmten Rezeptoren im Gehirn werden die Neurotransmitter Dopamin („Glückshormon“), Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet und gleichzeitig ihr Abbau gebremst. Durch diese regelrechte Anflutung von Alarmstoffen an den Nervenzellen gerät der Körper in einen künstlichen Zustand von erhöhter Alarmbereitschaft Wachheit – Pulsfrequenz, Herzschlag und Atmung sind beschleunigt, Pupillen und Bronchien erweitert. Der Konsument fühlt sich glücklich, selbstsicher, unbesiegbar und konzentriert. Zeit scheint keine Rolle mehr zu spielen. Alle Sinne sind geschärft, die sexuelle und soziale Hemmschwelle sinkt. Müdigkeit, Schmerzen sowie Hunger- und Durstgefühl schwinden. Meist besteht außerdem ein massiver Bewegungs- und Rededrang. Typisch ist auch das im Szenejargon „Gesichtsfasching“ genannte Grimassieren mit weit aufgerissenen Augen und knirschenden Zähnen.
Schweißausbrüche, Herzrasen, Zittern, Muskelkrämpfe, Schwindel, Hautjucken, Mundtrockenheit, Verdauungsstörungen, Wahnvorstellungen, Paranoia . Wie genau ein Crystal-Rausch abläuft, kommt stark auf das sogenannte „Set und Setting“ an. Man sollte also ganz genau darauf achten, in welcher Umgebung, Gesellschaft und Grundstimmung man sich zum Zeitpunkt des Konsums befindet. Crystal Meth wird vom Körper nur langsam abgebaut, weshalb die Wirkung zwischen 6 und 48 Stunden anhalten kann (am längsten bei oraler Einnahme). Im Blut ist es bis zu 24 Stunden, im Urin bis zu einer Woche und in Haarproben sogar mehrere Monate lang nachweisbar.
Crystal Meth ist alles andere als eine harmlose Partydroge. Wegen seiner (zunächst) leistungssteigernden und konzentrationsfördernden Wirkung und leichten Verfügbarkeit hat es sich längst in vielen Gesellschaftsschichten und Altersklassen etabliert.
Das sogenannte „Craving“ ist bei Crystal besonders stark. Deshalb führt es zwar nicht nach dem ersten Mal, jedoch sehr schnell zu schwerer psychischer Abhängigkeit. Dies liegt daran, dass es sich noch rascher als etwa Kokain oder Amphetamin im Gehirn anreichert. Außerdem verursacht es, zumindest bei den ersten Einnahmen, weniger Sofort-Nebenwirkungen. So ist die Gefahr, häufiger und mehr zu konsumieren, hoch – und man entwickelt eine Toleranz. Um denselben Effekt zu erreichen, muss dann die Dosis gesteigert, der Abstand zwischen den Einnahmen verringert oder eine intensiver wirkende Konsumform gewählt werden (z.B. Rauchen statt Sniefen, Spritzen statt Schlucken). Lässt die Konzentration der Substanz im Gehirn nach, können über mehrere Tage hinweg höchst unangenehme Entzugssymptome auftreten. Um diese zu vermeiden, wird oft zur nächsten Dosis gegriffen.
Weil Crystal ein starkes Nervengift ist, gibt es keinen risikoarmen Konsum. Durch eine enzymatische Reaktion greift es auf Dauer die Ausläufer der Nervenzellen an und schädigt dadurch das Gehirn. Selbst nach Absetzen der Droge kann die Regeneration der Hirnzellen über ein Jahr dauern.
Es ist hochproblematisch, dass die Substanz dem Körper keine Energie zuführt, ihn jedoch zu Höchstleistung antreibt. So gerät der Organismus unter akuten Stress, der für mehrere Stunden anhält und alle Kraftreserven aufzehrt. Zusätzlich werden Warnsignale wie Durst, Hunger, Müdigkeit oder Schmerz ausgeblendet. Crystal-Konsumenten brechen deshalb manchmal völlig dehydriert, übermüdet oder mit Kreislaufkollaps zusammen. Gleichzeitig besteht das Risiko von Nierenversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall. Auf psychischer Ebene können sich nervöse Unruhe und Gereiztheit, depressive Verstimmungen, Halluzinationen mit Verfolgungsangst („Horrortrip“) sowie Aggressionen einstellen. Beim nasalen Gebrauch kann man sich mit scharfkantigen Röhrchen an der Naseninnenseite verletzen. Fremde Spritzbestecke bergen ein hohes Risiko von HIV- und Hepatitis-Infektionen. Durch das Absinken der sexuellen Hemmschwelle kommt es außerdem häufig zu ungeschütztem (und manchmal ungewolltem!) Verkehr. Unerwünschte Schwangerschaften können dann ebenso die Folge sein wie Geschlechtskrankheiten.
Der Reinheitsgrad von Methamphetamin beträgt oft bis zu 90 %. Vor allem Konsumenten, die bislang nur Erfahrungen mit dem „schwächeren“ und zumeist gestreckten Speed haben, schweben deshalb bei Crystal in großer Gefahr! Anzeichen einer Überdosierung sind Hyperthermie, extreme Kopfschmerzen mit Schwindel, Krampfanfälle und Zittern, plötzlicher Blutdruckabfall bis hin zur Bewusstlosigkeit, Lähmungserscheinungen, Mundtrockenheit, Übelkeit und Erbrechen sowie Intoxika tionspsychosen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem lebensgefährlichen Herzstillstand. Anwesende, die die oben genannten Symptome beobachten, müssen sofort einen Notarzt rufen!
Der Dauergebrauch von Methamphetamin zieht unweigerlich Langzeitwirkungen nach sich, von denen manche irreversibel sind. Neben den gesundheitlichen Effekten birgt der Konsum weitere Risiken, die für illegale Drogen typisch sind.
Beim Sniefen: brüchigwerden der Nasenscheidewand mit häufigem Nasenbluten bis hin zum Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn
Bei Frauen: Zyklusstörungen bis hin zum Ausbleiben der Periode (Achtung: Wirkung der Antibabypille ist nicht mehr gegeben!)
Beim Konsum in der Schwangerschaft: erhöhte Gefahr von Missbildungen, geistiger Behinderung sowie Früh- und Totgeburten
Sehr viele drogenbedingte Todesfälle in der Partyszene gehen auf Mischkonsum zurück. Weil Methamphetamin so schwer zu dosieren ist, sind Wechselwirkungen besonders wahrscheinlich.
… mit Alkohol:
Alkoholwirkung wird kaum wahrgenommen, dadurch Risiko von Alkoholvergiftung.
… mit Cannabis:
Starke Belastung von Herz und Kreislauf, Gefahr einer drogenbedingten Psychose und kombinierter Abhängigkeit (Crystal als „Upper “≥, Cannabis als „Downer“≥ ).
… mit Kokain:
Starke Belastung von Atmung, Herz und Kreislauf mit bedrohlicher Blutdruckerhöhung und gesteigerter Herzfrequenz bis hin zum Herzstillstand. Dazu gesteigertes Aggressionspotenzial, Verlust der Handlungskontrolle, Psychoserisiko.
… mit LSD:
Risiko von „Horrortrips“.
… mit MDMA (Ecstasy):
Starke Kreislaufbelastung und Gefahr von Dehydration. Zudem Abschwächung der MDMA-Wirkung.
… mit Amphetamin („Speed“) und Koffein (z.B. aus Energy drinks):
Herzrasen mit Schwindel bis hin zum Kreislaufkollaps, Hyperthermie.
… mit Benzodiazepinen („Downern“):
Durch gegensätzliche Substanzwirkung starke Belastung des ganzen Organismus. Gefahr von Kreislaufzusammenbruch und kombinierter Abhängigkeit (siehe Cannabis).
… mit „Poppers“ (Amylnitrit, Isopropylnitrit, Cyclohexylnitrit):
Enorme Kreislaufbelastung mit Gefahr von Kollaps, Schlaganfall und Koma.
… mit Heroin:
Eine der gefährlichsten Substanzmischungen überhaupt! Zumeist Zeichen einer bereits schwerwiegenden Suchterkrankung. Lebensgefahr durch Atemlähmung, Hirnblutungen, Herzrhythmusstörungen und Blutdruckkrisen. Dazu extrem erhöhte Risikobereitschaft, Gefahr der kombinierten Abhängigkeit (siehe Cannabis).
ACHTUNG: Patienten, die MAO-Hemmer, Betablocker, Potenzsteigerungspillen (z.B. Viagra®), Ritalin® oder Antidepressiva einnehmen, begeben sich durch den Konsum von Methamphetamin in akute Lebensgefahr! Die Substanzen verstärken und verlängern ihre Wirkungen gegenseitig unkontrollierbar.
Sicherlich sind manche Legenden um Crystal Meth mit Vorsicht zu genießen (z.B. ist man nicht nach einmaligem Konsum süchtig und verliert auch nicht nach kurzer Zeit alle Zähne). Dennoch ist es durch seine starke, schnell abhängig machende Wirkung und die einfache Verfügbarkeit eine der gefährlichsten Drogen unserer Zeit.
Die wichtige Botschaft lautet: Ein Methamphetamin-Entzug ist langwierig, kann aber unter professioneller ärztlicher sowie psychologischer Betreuung gelingen. Lückenlose, unvoreingenommene Aufklärung ist dabei das A und O. Wegen der großen Rückfallgefahr muss auch das familiäre Umfeld des Abhängigen eingebunden und alle schädlichen Sozialstrukturen („Trigger“ ≥) gemieden werden.
Ergänzend sind regelmäßig stattfindende Gruppentreffen hilfreich – für den Abhängigen selbst ebenso wie für betroffene Angehörige. Erster Ansprechpartner für den Entzug ist eine Suchtberatungsstelle oder der Hausarzt bzw. jede suchtmedizinische Ambulanz. Die Hilfe der Beratungsstellen ist in der Regel kostenlos.
Wichtiger Hinweis: Diese Texte dienen lediglich der allgemeinen Information und ersetzen keine professionelle medizinische Beratung. Wenn Fragen zu psychischen Erkrankungen auftauchen, sollte ein Facharzt oder Psychotherapeut kontaktiert werden.
Copyright © 2018-2024 kopfnuss – community für menschen mit psychischen erkrankungen