Neue psychoaktive Substanzen sind synthetisch hergestellte Designerdrogen. Von ihrer psychoaktiven Wirkung her ähneln sie anderen illegalen Drogen. Jedoch achten die Hersteller akribisch darauf, dass die einzelnen Inhaltsstoffe nicht ausdrücklich verboten sind – daher das irreführende Synonym „Legal Highs“. Immer wenn der Gesetzgeber weitere Stoffe unter Strafe stellt, reagiert der Markt sofort mit Rezepturänderungen. Von der Wortbedeutung her ist NPS ein unscharfer Sammelbegriff. Als „Legal Highs“ bezeichnet man Substanzmischungen, die in der Regel zweckentfremdet als Fertigprodukte wie Badesalze, Düngerpillen oder Kräutermischungen unter Fantasienamen angeboten werden. Dabei dienen oft pflanzliche Grundstoffe als Träger für synthetische Substanzen. Die ersten bekannten Legal Highs waren „Spice“ und „Bonzai“. Research Chemicals (RCs) stammen häufig aus der Pharmaforschung und sind die eigentlichen psychoaktiven Wirkstoffe von „Legal Highs“. Sie werden fast immer als Einzelsubstanzen konsumiert und entfalten Ihre Wirkung schon in sehr geringer Dosierung.
Bei kaum einer anderen Drogengruppe ist es so schwierig wie bei NPS, genaue Aussagen über Verbreitung, substanzbedingte Kriminalität, Häufigkeit von Suchterkrankungen und Todesfälle zu machen. Sicher ist nur: Immer neue Produkte kommen auf den Markt und die Lage wird immer unübersichtlicher. Laut dem Epidemiologischen Suchtsurvey (2015) hatten 2,8 % der deutschen Erwachsenen schon einmal Kontakt mit NPS, wobei synthetische Cannabinoide ganz oben auf der Liste stehen. Eine Schülerbefragung in Frankfurt ergab, dass ca. 6 % der Jugendlichen mindestens einmal im Leben sogenannte Räuchermischungen und 2 % andere „Legal Highs“ oder RCs konsumiert haben. In bestimmten Partyszenen sind die Zahlen höher. In Europa wurden 2017 laut EBDD mehr als 670 Substanzen überwacht, die in mehr als 650 Onlineshops zum Verkauf stehen. Tendenz: steigend.
Wann und wo genau NPS ihren Ursprung haben, kann man kaum sagen. In Deutschland wurden sie erst ab ca. 2008 relevant – mit dem Aufkommen von „Spice“, einer Mischung aus getrockneten Kräutern und synthetischen Cannabinoiden. Innerhalb kürzester Zeit waren mehr als 30 Nachahmerprodukte davon auf dem Markt (z.B. „Bonzai“, „Lava Red“, „Maya“). Seither kommen immer wieder neue Reinsubstanzen und Mischungen in den Handel. Ein großer Teil stammt aus asiatischen Großlaboren und ist über das Internet weltweit bestellbar. Eine Qualitätsgarantie fehlt jedoch ebenso wie belastbare Erfahrungen im suchtmedizinischen Bereich. Deshalb sind die Akut sowie Langzeitrisiken von NPS unkalkulierbar.
Neue psychoaktive Substanzen werden in vielfältigsten Darreichungsformen angeboten. Besonders bei „Legal Highs“ muss der Verpackungsaufdruck absolut nichts mit dem tatsächlichen Inhalt zu tun haben. Die Namen der Drogen sind ebenso fantasievoll wie die nur für Eingeweihte verständlichen Gebrauchsanweisungen. Sogenannte „Räuchermischungen“ werden geraucht (oder selten als Tee aufgegossen), „Bade salze“ gesnieft , „Düngerpillen“ geschluckt. Sehr selten werden manche Substanzen injiziert. Bei Research Chemicals handelt es sich um Reinsubstanzen von meist sehr hoher Potenz. Auch hier sind Fehldeklarationen nicht auszuschließen.
… stammen die enthaltenen Substanzen je nach Wirkung aus verschiedenen chemischen Stoffklassen. Synthetische Cannabinoide (auch: Cannabinoidmimetika) imitieren die Wirkung der psychoaktiven Cannabis Hauptkomponente THC. Sie sind häufig auf pflanzliche Trägerstoffe aufgesprüht, werden überwiegend geraucht und manchmal auch als Reinsubstanz oder E-Liquid verkauft. Beispiele: AB-CHMINACA, CUMYLP-eGaCLONE.
Synthetische Cathinone sind künstlich hergestellte Derivate von Cathin und Cathinon – zwei Stoffen aus dem Khat Strauch. Sie sind mit Amphetamin verwandt und werden u.a. als Pulver oder Kapsel verkauft. Der Konsum erfolgt durch Schlucken, Sniefen oder Spritzen. Beispiele: Mephedron, Methylon, MDPV
Phenylethylamine sind eine große Substanzgruppe, zu der neben den Cathinonen z.B. auch Methamphetamin und MDMA gehören. Sie werden u.a. als Pillen, Pulver oder Papiertrip gehandelt und entweder geschluckt, gesnieft oder injiziert. Beispiele: 4FA, NBOMe.
Derivate Piperazine, eine weitere Stoffklasse amphetamin ähnlicher Drogen, sind organische Verbindungen des Piperazins, das als Nebenprodukt bei der Herstellung anderer chemischer Substanzen anfällt. Sie waren eine Zeitlang als Pillen oder Pulver im Umlauf. Heute spielen sie nur noch eine untergeordnete Rolle. Beispiele: MCCP, TFMPP, BZP.
Tryptamine kommen als natürliche Alkaloide in etlichen Pflanzen vor, werden aber auch synthetisch hergestellt. Sie sind als kristalline Substanz im Handel, die geraucht oder gesnieft wird. Beispiele: 5MEODMT, 4HOMET.
Ketamin Derivate (Arylcyclohexylamine) sind chemische Abwandlungen des Narkosemittels Ketamin. Sie werden in Pulverform geschluckt oder gesnieft. Beispiele: Methoxetamin (MXE), Methoxphenidin (MXP).
Synthetische Opioide imitieren die Wirkung von Opiaten, die als Schmerzmittel zum Einsatz kommen. Sie sind als Kapseln, Tabletten, Pflaster oder Pulver im Handel; von Hochrisikogruppen werden sie auch geraucht oder gespritzt. Beispiele: U47700, verschiedene Fentanyl Derivate
Designer Benzodiazepine sind Verbindungen mit ähnlich schmerzstillender und beruhigender Wirkung wie klassische medizinische Benzodiazepine. Beispiele: Diclazepam, Flubromazepam.
Neue psychoaktive Substanzen lassen sich grob in 6 verschiedene Gruppen unterteilen, die sich durch ihre Art der drogenimitierenden Wirkung unterscheiden. Gelangt eine NPS in den Körper, dockt diese an passende Rezeptoren der Nervenzellen an und beeinflusst dort die Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter. Die wichtigsten davon sind Noradrenalin, Serotonin und das „Glückshormon“ Dopamin. Entsprechend stellt sich die körperliche und psychische Wirkung ein – von aufputschend über halluzinogen bis hin zu beruhigend. Der Abbau der diversen Substanzen im Körper dauert zwischen wenigen Stunden und mehreren Tagen. Ebenso verhält es sich mit der (oft sehr schwierigen) Nachweisbarkeit in Blut und Urin.
Stimulanzien gaukeln dem Körper einen künstlichen Zustand von erhöhter Alarmbereitschaft und Wachheit vor. Herzschlag, Puls und Atmung sind beschleunigt, Pupillen und Bronchien erweitert. Man fühlt sich selbstsicher und konzentriert. Die Sinne sind geschärft, die soziale und sexuelle Hemmschwelle sinkt, Hunger, Durst, Schmerzen und Müdigkeit sind ausgeschaltet. Oft besteht ein massiver Bewegungs- und Rededrang.
Mögliche Nebenwirkungen: Schweißausbrüche, Herzrasen, Zittern, Muskelkrämpfe, Schwindel, Hautjucken, Mund trockenheit, Verdauungsstörungen, Wahnvorstellungen, Paranoia
Bekannte illegale Stimulanzien: Kokain, Speed, Methamphetamin
Beispiele für stimulierend wirkende NPS: MDPV, Mephedron, Methedron, Flephedron, Dimethocain
Entaktogene/Empathogene wurden früher in der Psychotherapie eingesetzt, wenn Patienten Schwierigkeiten hatten, sich emotional zu öffnen. Sie verstärken die Wahrnehmung der eigenen Gefühle, wirken antriebssteigernd, erhöhen das Selbstbewusstsein und können Zustände von Euphorie auslösen.
Mögliche Nebenwirkungen: Schwindelgefühle, Übelkeit, Schweißausbrüche, Kiefermahlen, Mundtrockenheit, depressive Verstimmung u.a.
Bekannte illegale Entaktogene: MDMA (Ecstasy), MDA Beispiele für entaktogen wirkende NPS: Methylon, Butylon, MDAI
Dissoziativa bewirken eine scheinbare Entkoppelung von Körper, Geist, Raum und Zeit. Dabei können detaillierte, teilweise sehr realistisch wirkende Pseudohalluzinationen oder Synästhesien (z.B. „Töne sehen“) auftreten.
Mögliche Nebenwirkungen: Augenzittern, Übelkeit, un kontrolliertes Muskelzucken, Schwindel, Muskelsteifheit u.a.
Beispiel für illegale Dissoziativa: Ketamin, PCP (Angel Dust), Salvia Divinorum
Beispiel für dissoziativ wirkende NPS: MXE, 2FDCK, MXP
Halluzinogene (auch: Psychedelika) verändern Sinneseindrücke, regen die Fantasie an und rufen Sinnestäuschungen hervor.
Mögliche Nebenwirkungen: Herzrasen, Lichtempfindlichkeit, Mundtrockenheit, Stimmungsschwankungen, Sehstörungen, Desorientierung, Angstzustände u.a.
Bekannte illegale Halluzinogene: LSD, Psilocybin („Zauber pilze“), Meskalin
Beispiele für halluzinogen wirkende NPS: 2CX, 25XNBO Me, 1PLSD, ALS52
Synthetische Cannabinoide wirken je nach Substanz extrem unterschiedlich. User berichten von Zufriedenheitsgefühlen, veränderten Sinneseindrücken, Halluzinationen, großer Unternehmungslust, gesteigertem sexuellem Lustempfinden – oder aber dem totalen Gegenteil von all dem.
Mögliche Nebenwirkungen: Herzrasen, Mundtrockenheit, Kreislaufprobleme, Übelkeit, Krampfanfälle, Panikattacken, depressive Stimmung u.a. Die Räusche werden vielfach als extrem lang und belastend beschrieben. Im Unterschied zur „Originalsubstanz“ Cannabis kann eine Überdosierung auch tödliche Folgen haben – besonders bei synthetischen Cannabinoiden in Reinform.
Beispiele für synthetische Cannabinoide: JWH018, AM1220, UR144, ABFUBINACA
Sedativa wirken beruhigend und dämpfend auf das zentrale Nervensystem. Je nach Wirkstoff wird die bewusste Wahrnehmung ausgeschaltet, es kann zu tiefer Entspannung, Angstlösung und Müdigkeit kommen, selten auch zu Euphorie.
Mögliche Nebenwirkungen: Benommenheit, Desorientierung, Gangunsicherheiten, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Magen/Darmstörungen, paradoxe Reaktionen wie aggressives Verhalten.
Beispiele für sedierend wirkende NPS: (Designer )Benzodiazepine, U47700, Fentanyl-Derivate
Neue psychoaktive Substanzen sind alles andere als harmlose Partydrogen. Da sie relativ einfach zu beziehen sind und unter dem Deckmantel angeblicher Legalität laufen, ist ein Kontakt mit ihnen sehr wahrscheinlich. Entsprechend zieht sich der Konsum durch alle gesellschaftlichen Schichten. Je nachdem, aus welchem Grund der User zur Droge greift (etwa um in Prüfungszeiten konzentriert zu bleiben, Traurigkeit zu dämpfen oder auf Partys die Nächte durchzutanzen), ergeben sich unter schiedliche Suchtpotenziale. Wie bei anderen Drogen führt der regelmäßige Gebrauch bzw. riskante Konsummuster zu einer Toleranzentwicklung . In der Folge benötigt der Körper eine höhere Dosis, um den gewünschten Effekt zu erzielen – es kann eine (psychische, je nach Substanz auch physische) Abhängigkeit entstehen. Entzugserscheinungen können sich z.B. in Form depressiver Verstimmung und Antriebslosigkeit, Erschöpfung oder Schlaf -, Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten äußern.
Von den meisten NPS sind weder genaue Wirkweisen noch Langzeitfolgen ausreichend dokumentiert. Die irreführende, fast immer unvollständige oder nicht wahrheitsgemäße Etikettierung macht viele NPS zu Hochrisiko-Drogen mit einer enormen Gefahr von Überdosierung, riskanten Wechselwirkungen bis hin zu irreversiblen Folgeschäden.
Manche NPS-Fertigprodukte enthalten mehrere Wirkstoffe gleichzeitig und stellen so direkt einen gefährlichen Mischkonsum dar. Wird dann z.B. zu einem „Upper“ wie Kokain ein „Downer“ eingenommen, zwingt dies den Körper in kräftezehrende Paradox-Reaktionen. Kommen dagegen mehrere ähnlich wirkende Substanzen zum Einsatz, besteht immer die akute Gefahr einer Überdosierung. Beides kann lebensgefährlich sein.
ACHTUNG: Patienten, die regelmäßig Medikamente wie MAOHemmer, Betablocker, Potenzsteigerungspillen (z. B. Viagra), Ritalin® oder Antidepressiva einnehmen, begeben sich durch den Konsum mancher NPS in akute Lebensgefahr! Die pharmakologischen Substanzen verstärken und verlängern ihre Wirkungen teils gegenseitig unkontrollierbar.
Abhängigkeit vermeiden & behandeln Eine lückenlose, vertrauliche Beratung ist wichtig, wenn man den Konsum einstellen möchte. Besteht bereits eine Abhängigkeit, sollte ein spezialisierter Arzt die Phase begleiten. Erster Ansprechpartner für den Entzug ist eine Suchtberatungsstelle oder der Hausarzt bzw. jede suchtme dizinische Ambulanz. Die Hilfe der Beratungsstellen ist in der Regel kostenlos – und garantiert vertraulich.
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Onlineberatung Informations- und Beratungsangebot für Angehörige und Betroffene: https://infoboerse-neue-drogen.de
Wichtiger Hinweis: Diese Texte dienen lediglich der allgemeinen Information und ersetzen keine professionelle medizinische Beratung. Wenn Fragen zu psychischen Erkrankungen auftauchen, sollte ein Facharzt oder Psychotherapeut kontaktiert werden.
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